Stephanie Selmer in einer Präsentation

Was machst du gerade? (32)

… frage ich die wunderbaren Menschen in meinem Netzwerk.

Heute ist das Stephanie Selmer – Beraterin für Change Kommunikation, Goldbach.

Was machst du gerade?

»Jetzt gerade sitze ich auf dem Balkon, trinke einen Kaffee und schreibe diesen Text, während meine Jüngste nebendran spielt. Das klingt unspektakulär. Ist es auch.

Ich liebe es, praktisch von überall aus arbeiten zu können. Für mich ist es schon eine Form von Freiheit, den Laptop zu Hause zu haben und an einen anderen Platz mitnehmen zu können. Für mich bedeutet das nur einen kleinen Ausschnitt einer Freiheit, mein Leben selbst und mit meinen Liebsten gestalten zu können, wie ich es will.

In einem früheren Leben (zumindest fühlt es sich so an, so lange ist es her) habe ich eine Ausbildung bei einem Rechtsanwalt gemacht. Die Schreibmaschine, mit der wir Azubis die Mahnbescheide ausfüllen mussten, stand immer an der gleichen Stelle. Jeden Tag war von 12 bis 14 Uhr eine gezwungene Mittagspause. Und wenn am Abend noch ein dringender Schriftsatz fertig werden musste, weil sonst eine Frist verstreichen würde, kriegte man vom Anwalt 10 DM in die Hand gedrückt als Dankeschön für die Überstunde. Das alles war für mich die wahrgewordene Unfreiheit, denn ich konnte weder über meinen Arbeitsort, noch über meine Arbeitszeit bestimmen.

Heute arbeite ich mit Unternehmen zusammen, bei denen ich live noch nie war und es zählt das Ergebnis, nicht die Anwesenheit. Und ich kann entscheiden, an einem Sonntagnachmittag etwas zu schreiben, wenn es in den Tag passt.«

Warum bist du Beraterin für Change Kommunikation?

»Change ist ein Thema, das mich praktisch seit meiner Kindheit begleitet. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, in einer echten Zechenstadt und mein Vater arbeitete in einem Bergwerk.

Als nach und nach der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau immer wahrscheinlicher wurde, haben wir demonstriert. Wir Kinder hatten schwarze Luftballons, die Erwachsenen Fackeln. Aber nicht nur unsere Familie oder die Siedlung, sondern die ganze Stadt. In den Nachbarstädten sah es genauso aus. Irgendwie war das schön und schweißte uns noch näher zusammen, doch eigentlich wussten wir schon, dass unsere Mühe umsonst war.

Ich war damals gerade in der Grundschule, aber mir war klar, dass das anders hätte laufen müssen. Dass Steinkohle nicht die Zukunft war, hatte ich schon begriffen. Meine Eltern waren nicht weltfremd und wussten, dass wir andere Energiequellen brauchen würden. Aber für unsere Familie und die ganze Gegend war die Entwicklung schlecht und wir fühlten uns mit unseren Ängsten und Sorgen allein gelassen.

Aber geprägt hat mich wohl, wie meine Eltern insgesamt damit umgegangen sind. Sie waren mit einem Auge in der Vergangenheit, haben demonstriert und sich gewünscht, dass alles bleibt, wie es war. Und mit dem anderen Auge haben sie in die Zukunft geschaut. Mein Vater bildete sich weiter, und obwohl er bis zum Schluss auf der Zeche blieb, hätte er bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt. Meine Mutter fing an zu malen und hatte bald eine erste eigene Ausstellung. Für mich war das das Zeichen, dass Veränderungen zum Leben gehören und dass es immer irgendwie weitergeht.

Als ich Jahre später freiberuflich IT-Projekte begleitete, wurde mir klar, dass nicht viele diese Sicht auf eine Veränderung haben. Einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellten neue Hard- und Software und die damit veränderten Prozesse vor so große Herausforderungen, dass sie bereit waren, das Unternehmen zu verlassen.

Für viele Unternehmer und Unternehmerinnen klingt das weit hergeholt. Wie können eine Softwareumstellung und ein neuer Prozess Menschen in so eine Krise stürzen? Ein einfaches Beispiel ist vielleicht das, was mir ein Mitarbeiter einer meiner letzten Kunden erzählt hat:

Es war nicht einfach nur die Umstellung auf Microsoft Teams (eine Collaboration-Plattform), die ihm Sorgen machte. Bis dahin hatte er Dokumente, an denen er arbeitete, in seinem persönlichen Laufwerk gespeichert. Niemand sonst hatte darauf Zugriff. Wenn er nicht fertig geworden war, speicherte er einen Zwischenstand und arbeitete später daran weiter. Und wenn er fertig war, legte er das Dokument in einen Austauschordner oder verschickte es per Mail. Nun sollten alle Dokumente jederzeit in Teams liegen. Damit hatten auch alle anderen Kollegen und sein Vorgesetzter Zugriff darauf. Sie konnten also den Zwischenstand sehen, in dem möglicherweise noch Fehler, Markierungen oder Lücken waren. Er hatte Angst, an seinen Zwischenständen gemessen zu werden, wo er doch bisher nur fertige Ergebnisse präsentiert hatte.

Ich möchte, dass Menschen mit ihren persönlichen Sorgen und Ängsten gesehen werden. Der Change ist wahrscheinlich nicht abwendbar. Aber wer sich gesehen und erst genommen fühlt, kann besser mit der Veränderung umgehen.«

Was bewegt dich?

»Mich bewegen »Wow-Momentchen«. Kleine Überraschungsmomente, die Menschen eine Freude bereiten. Während des Lockdowns haben meine Jüngste und ich Steine bemalt und in der Stadt versteckt, damit andere Menschen sie finden können. Einmal haben wir aus dem Auto heraus gesehen, wie eine ältere Dame einen unserer Steine in einem Einkaufswagen gefunden hat. Sie hat ihn eine kleine Ewigkeit lang angesehen, gelächelt und ihn in die Tasche gesteckt.

Es muss nichts Großes sein, um Menschen zu begeistern. Geschichten wie die von Matt Harding verpassen mir regelmäßig eine Gänsehaut. Er hat es geschafft, Menschen auf der ganzen Welt nur durch Tanzen zusammen zu bringen und Teil etwas Größeren zu sein. Hier seht ihr seine Tanzreise von 2008 und eine spätere von 2012.

Das ist etwas, was auch meine Arbeit prägt. Die Kommunikationskonzepte, die ich mit und für meine Kunden erstelle, sind keine Feuerwerke. Da würden alle Beteiligten auch viel zu schnell ausbrennen, sowas ist kaum aufrecht zu erhalten, ohne einen immensen Aufwand reinzustecken. Höher, schneller, weiter – das überlasse ich gern anderen. Ich mag es eher gezielt und wertvoll, ausgelegt für einen Dauerlauf.«

Wo kann ich dich finden?

Ihr findet mich auf LinkedIn und ich freue mich auf den Austausch. Hier erzähle ich auch aus meinem Berufsalltag und gebe Tipps und Ideen für gute Change Kommunikation.

Ein besonderes Thema ist ja aktuell Storytelling im Change. Hierzu habe ich ein Buch geschrieben, das bald erscheint und zu dem es schon eine Website gibt: www.change-storys.de

 

 

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