Wenn Kunden zu Comic-Figuren werden
Der Auftrag lautete: »Wir brauchen eine ganz besondere Einladung – ein Heft mit Fotos, Infotext und einer Story mit kleinen Strichmännchen, Emojis oder so.«
Dass ich meine Kunden gleich in Comicfiguren verwandele, damit hatten sie nicht gerechnet.
Wie geht man so ein Projekt an?
Zuerst hab ich überlegt, wieviel Platz und wieviele Bilder (Frames*) ich brauche um die Geschichte zu erzählen. Das ist ja recht flexibel, denn ich kann entscheiden wie groß die Bilder sind, welche Form sie haben, ob ich die Figuren in einzelnen Close-Ups* zeige oder zusammen in einem Frame*, ob es Überschneidungen oder Zooms* gibt … das lege ich schon im Storyboard* fest.
* Film und Comic haben viel gemeinsam
Bei den Figuren habe ich erstmal geguckt, welche optischen Merkmale für sie charakteristisch sind, also betont werden, und was man alles weglassen kann – reduce to the max. Für die Innenseiten des Heftes gab es diverse Fotos, so dass ich Vorlagen für die Entwicklung der Charaktere hatte.
Dann habe ich ausprobiert welche Art von Mund, Nase und Augen jeweils stimmig ist und damit Gesichtsausdrücke von fröhlich, über pikiert, irritiert, genervt bis zu angriffslustig und wütig getestet. Die Frau ist mir gleich gut gelungen, am Mann hab ich länger getüftelt.
Emotionen darzustellen geht eigentlich ganz einfach: Münder und Augenbrauen werden deutlich verändert. Der wunderbare Austin Kleon hat dafür eine supereinfache Methode entwickelt, die auch für Sketchnotes und Visual Thinking sehr nützlich ist. Guckt mal hier.
Unzählige Möglichkeiten ergeben sich, wenn man dann noch verschiedene Gesichtsformen und Frisuren zeichnet.
Hier sind ein paar von mir gezeichnete Frauen und Männer als Beispiel.
Ich zeichne meist mit Bleistift oder Fineliner auf Papier. Hier wollte ich einen rauen, schnellen Strich und habe meinen Lieblingsbleistift, den Palomino Blackwing 602 genommen.
Als Basis habe ich eine Figur (ohne Gesicht) verwendet, die mir bei den ersten Entwürfen gut gelungen ist. Ich hab sie immer wieder auf dünnes Layoutpapier durchgezeichnet und dabei dann jeweils einen anderen Gesichtsausdruck eingesetzt.
Es ist viel für die Tonne entstanden, aber auch genug Materiel für den Comic. Natürlich kann man das auch viel einfacher haben: eine Figur einmal zeichen, einscannen und dann jeweils einen neuen Gesichtsausdruck einsetzen. Oder gleich am Tablet machen und copy & paste nutzen. Das finde ich aber bei weitem nicht so lebendig, wie eine Figur, die neu gezeichnet wurde. Und Übung kann ja sowieso nie schaden.
Die Frames, Sprech- und Denkblasen hab ich auch in verschiedenen Versionen gezeichnet.
Dann alles gescannt und in Photoshop in SW-Bitmaps umgewandelt, was den Strich noch etwas gröber macht und sich dann im Layoutprogramm gut zusammensetzen, einfärben und anordnen lässt.
Als Schrift habe ich vor allem die Computerschrift Desyrel genommen, auch wenn Handlettering für mich kein Problem wäre. Zum Problem wird es dann erst bei Text-Korrekturen, es müsste alles neu geschrieben und bearbeitet werden. Das ist mit Computerschriften deutlich effizienter. Auf dem Umschlag ist noch dezent die Schrift Jane Austen zu sehen.
Es ist insgesamt ein 12-seitiges Heft im Oktavformat (A6) geworden, so wie die kleinen Aufgabenhefte aus der Schule.
Vorab gab es noch ein digitales „Save-the-Date“, denn das Heft gab es ja noch gar nicht, also hab ich in Photoshop eine Simulation gemacht, bevor ich überhaupt mit der Gestaltung und den Illustrationen angefangen hatte.
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